Epikondylitis oder korrekter Epikondylopathie!

Ein paar wissenschaftliche Fakten vorweg:

  • mit einer Inzidenz von 1 - 9 % und einer Prävalenz von 1,3 % die häufigste Insertionstendopathie
  • noch kein standardisierter evidenzbasierter Behandlungsansatz definiert

Definition des klinischen Befundes:

  1. Schmerzen bei isometrischer Extension des Handgelenks oder des Mittelfingers
  2. Schmerzen bei passiver Handgelenksflexion oder Flexion des Mittelfingers in Ellenbogenextension und/oder Druckschmerzen im Bereich lateraler Epikondylus

Es herrscht Einigkeit, dass es sich beim "Tennisellenbogen" um ein multifaktorielles Problem handelt, welches folglich auch multimodal behandelt werden muss.

  1. Sehnenpathologie
  2. Schmerzsystem
  3. motorisches System

Sehnenpathologie

Im Rahmen der Sehnenpathologie zeigen die Handextensoren, v.a. der M. extensor carpi radialis brevis, eine angiofibroblastische Hyperplasie. Hierzu gehören folgende 4 Veränderungen:

  1. Erhöhung der Anzahl der Zellen und der Grundsubstanz
  2. vaskuläre Hyperplasie und Neovaskularisation
  3. Erhöhung neurochemischer Substanzen im Gewebe
  4. unorganisiertes und unreifes Kollagen

Wichtig: Es treten keine Entzündungszellen auf!!!

Es besteht Einigkeit, dass es sich bei der lateralen Epikondylopathie nicht um einen entzündlichen Prozess handelt, auch wenn evtl. eine neurogene Entzündung beteiligt ist!

Der Begriff Epikondylitis wird deshalb durch den Begriff Epikondylopathie ersetzt!

Die Pathologie stellt vielmehr eine degenerative oder dysfunktionale und unvollständige Heilung nach Über-, Mangel- oder Fehlbelastung dar.

Kortisoninjektionen führen zu einer verfrühten Belastbarkeit durch den Patienten, was eine Spontanheilung verhindert. Sie sind also nicht zielführend!

Schmerzsystem

Die senkundäre Hyperalgesie geht mit Veränderung der neurochemischen Substanzen einher, welche auf Hinterhornebene beeinflussen. Da ein definierendes Charakteristikum der sekundären Hyperalgesie besagt, dass die Schmerzquelle nicht am Ort der Symptome liegt, ist dies ein Ansatz dafür, die Symptomquelle bei lateraler Epikondylopathie an der Wirbelsäule zu suchen.

Einer kontrollierten Studie von Slater et al. zufolge bestand bilateral eine Hyperalgesie am Ansatz des M. extensor carpi radialis brevis, was ebenfalls auf eine Sensibilisierung des Nervensystems hinweist.

Im Allgemeinen manifestieren sich bei chronischen muskuloskelettalen Schmerzen nicht nur lokal pathophysiologische Veränderungen, sondern auch spinal bzw. zentral.

Einen Hinweis auf eine eingeschränkte Neurodynamik kann der Upper Limb Neurodynamic Test nach Butler geben, der die Mechanosensitivität des neuralen Systems mit Betonung des N. radialis untersucht.

Motorisches System

Eingeschränkte Griff- und Extensionskraft beschränken sich nicht nur auf die Handextensoren, sondern auf den kompletten Arm UND die Gegenseite. Diese Defizite sind selbst dann noch vorhanden, wenn die Schmerzsypmtome verringert oder beseitigt wurden.

Unklar ist, ob sie als Ursache oder Folge der lateralen Epikondylopathie auftreten. Allerdings ist es möglich, dass diese andauernden Defizite, auch bei symptomlosen Patienten, für die hohe Rezidivrate verantwortlich sind.

 

Die sogenannte Double crush - Theorie, nach der der Nerv in seinem Verlauf häufig doppelt irritiert ist, bezieht sich im Fall der Epikondylopathie bzw. des N. radialis auf die Segmente C5 - 8 bis zum distalen Versorgungsgebiet.

Subjektive Symptome einer Nevenwurzelproblematik von C6 können ebenfalls die Symptome einer lateralen Epikondylopathie sein und bestärken den Ansatz, die HWS in die Untersuchung mit einzubeziehen.

Die sympathische Versorgung passiert aus den Segmenten T4 - 8, die deshalb auch, nach Abklärung von red flags, manipuliert oder mindestens mobilisiert werden sollten.